NEUROLOGISCHE ASPEKTE


Erklärungsversuche

13 01 2017

Video-Aufzeichnung des Vortrages von Frau Prof. Dr. Kathrin Neumann beim Bundeskongress der deutschen Stotterer Selbsthilfe Ende September 2006 in Münster. Während dieser 55 Minuten legt sie die Forschungsergebnisse der letzten 10 Jahre in der Neurowissenschaft dar. Man kennt schon eine Menge Faktoren, die zum Stottern beitragen, daher ist der oft zitierte Satz "Die Ursachen des Stotterns sind unbekannt" nicht mehr richtig.

In den letzten Jahren gab es in der Erforschung der neurophysiologischen Ursachen neue Erkenntnisse: Bei Stotternden funktionieren die Sprachzentren in der linken Hemisphäre nicht richtig, was das Gehirn über einen raffinierten Mechanismus in der rechten Hemisphäre zu kompensieren versucht.

Am Sprechen sind 250 Muskeln beteiligt, und es sind ca. 140.000 Nervenimpulse pro Sekunde notwendig, die in der richtigen Reihenfolge und Intensität abgegeben werden müssen. Eine bewusste Erzeugung dieser Impulsmuster ist undenkbar. Statt dessen wird eine Vielzahl von kleinen Programmen abgespielt, die für jeden Laut, für die Verbindung verschiedener Laute oder für Wörter bzw. Redewendungen gespeichert sind und abgerufen werden können. Um fließend sprechen zu können, müssen wir in der Lage sein, die richtigen Programme in der richtigen Reihenfolge und zum richtigen Zeitpunkt abzurufen. Und jedes dieser kleinen Programme muss einen jeweils korrekten Ablauf gewährleisten. Wenn das nicht automatisch fehlerfrei geschieht, spricht man von einer Störung der Autoregulation. Wenn nun der Stotternde auf die bewusste Regulationsebene zurückschaltet, ist er nicht in der Lage, diese Vielzahl an Bewegungsmustern bewusst zu kontrollieren.

Was man als Stottersymptom beobachten kann, ist also das Ergebnis eines nicht gelungenen Korrekturversuchs.