In Tirol wurde im Jahr 1990 die ÖSIS, die ÖSTERREICHISCHE SELBSTHILFE- INITIATIVE STOTTERN, als gemeinnütziger Verein gegrüdet. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, unseren Bekanntheitsgrad unter Betroffenen und Therapeuten zu erhöhen und intensive Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Damit möchten wir auch zur Aufklärung und Information über diese Kommunikationsstörung beitragen.
Jeder, der Interesse an dem Problem Stottern hat. Also stotternde Erwachsene, stotternde Jugendliche, Eltern stotternder Kinder, PädagogInnen, LogopädInnen, SprachheillehrerInnen und andere Therapeuten.
Es gibt Tausende stotternde Männer und Frauen in Österreich. Stottern ruft verschiedenste Reaktionen hervor und gibt Anlass zu Vorurteilen. Das erschwert die Lebenssituation von stotternden Menschen. Durch die Selbsthilfegruppe stehen Betroffene mit ihren Problemen nicht mehr allein da.
Die Selbsthilfegruppe führt stotternde Menschen zusammen. Es werden Informationen über das Stottern gegeben und falsche Vorstellungen darüber korrigiert. Die einzelnen Therapiemöglichkeiten werden besprochen, um nachteilige Erfahrungen auf diesem Gebiet zu vermeiden.
Aus Einzel-Erfahrungen werden Gruppen-Erfahrungen, dadurch können alle Mitglieder am Lernen aus Fehlern und an der Freude über den Erfolg teilhaben. Darüber hinaus wird noch ein zusätzlicher therapeutischer Effekt erzielt, wenn Teilnehmer sich gegenseitig mit neuen Verfahren vertraut machen, die helfen, mit Stottermomenten und angespannten Situationen fertig zu werden. Ein Therapeut kann als gleichgestellter Teilnehmer eines Treffens diesen Prozess fördern.
Je nach Zusammensetzung der jeweiligen regionalen Gruppe ist der Schwerpunkt der Interessen und Aktivitäten unterschiedlich. So werden z.B. bei den meist vierzehntägigen Treffen gruppendynamische Spiele, Gesellschaftsspiele, die eine gewisse Sprechleistung erfordern, Rollenspiele oder Entspannungsübungen durchgeführt. Einzelne Mitglieder können kurze Vorträge halten und anschließend Fragen beantworten, oder man kann in kleinen Gruppen hinausgehen, um Experimente mit gestotterter und flüssiger Sprache zu machen. Übungen, die in einer Therapie als Erfolg versprechend erlebt wurden, werden bevorzugt angewandt. Weiters organisieren wir Treffen und Veranstaltungen mit anderen regionalen Gruppen sowie Ausflüge.
Selbsthilfe heißt auch, mein gegenwärtiges Stottern zu akzeptieren, es in der Gruppe zuzulassen und nicht zu vermeiden. Wir alle haben den Willen, uns langfristig zu verändern. Das große Ziel lautet aber nicht unbedingt Symptomfreiheit, sondern ein besseres Leben mit der jeweiligen Situation des Stotterns.
Wir nehmen unser Problem selber in die Hand, sind uns aber bewusst, dass wir bei vielen Problemen unbedingt Hilfe von außen brauchen. Nicht jeder ist für die Selbsthilfe geeignet. Man muss sich vor allem von dem Gedanken lösen, die anderen werden einen vom Stottern befreien. Ohne eine gewisse Eigeninitiative geht gar nichts. Es gibt keine fertigen Problemlösungen!
Nein. An einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen heißt nicht, sich von einer professionellen Therapie abzuwenden, es stellt vielmehr eine sinnvolle Ergänzung dar. Sie kann eine Therapie vorbereiten, sie begleiten - und bei Rückfällen eine große Stütze darstellen. Die Gruppe stellt einen Schonraum zur Einübung von Sprechtechniken dar. Selbsthilfe ist jedoch kein Therapieersatz!
Nein. Es hat sich gezeigt, dass sich die Situation von Stotternden durch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen nachhaltig verbessert hat. Der Stotternde lernt, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, anstatt die Maßnahmen eines Therapeuten passiv über sich ergehen zu lassen. Oft genug fällt der Betroffene nach einer abgeschlossenen Therapie jedoch wieder in seine alten Verhaltensweisen zurück. Die therapeutische Wirkung der Selbsthilfegruppe ist oftmals lang anhaltender und verlässlicher als die fachgerechte Intervention eines Therapeuten.
Die Behandlung eines erwachsenen Betroffenen muss die Selbstbehandlung zum Ziel haben. Letztlich muss der Stotternde die Arbeit selbst leisten, aber in der Regel ist er dazu nicht in der Lage. Die Therapie durch den Fachmann muss eine Ausbildung in Selbstbehandlung sein. Der Therapeut soll auf Grund seines Fachwissens gezielt die Einsichten und Fähigkeiten vermitteln, die der Stotternde braucht.
Eine Kombination von Selbsthilfe und Therapie ist meist optimal. Die Arbeit in der Selbsthilfegruppe kann die Therapie vorbereiten, indem sie die Eigenverantwortung bewusst macht. Sie kann die Therapie begleiten und ein Übungsfeld für neue Verhaltensweisen bieten. Sie kann diese im nachhinein stabilisieren und auf diese Weise einen dauerhaften Heilerfolg sichern. Oft führen gerade Kontakte in einer Selbsthilfegruppe zu einer erfolgreichen Therapie. Die hier angesammelten Erfahrungen können verhindern, dass man auf schlechte Therapien hereinfällt und dadurch nur noch mutloser wird.
Nein. Die Isolation, in die sich viele stotternde Menschen zurückgezogen haben, kann gerade im Kontakt mit anderen Stotternden durchbrochen werden. Wir wollen unsere Situation langfristig verändern - das ist leichter, wenn man sich gegenseitig stärkt. Zudem besteht noch die Möglichkeit, dass man in der Gruppe Menschen findet, die ähnliche Erfahrungen wie man selbst gemacht haben, von denen man sich wirklich verstanden fühlt und zu denen sich eine dauerhafte Freundschaft herausbildet.
Ja, wenn man wirklich aktiv mitmacht. Wenn man die Selbsthilfegruppe nicht lediglich als Gewissensberuhigung benutzt. Wenn man daran interessiert ist, am eigenen Stottern zu arbeiten.
Auszug aus dem Info-Folder der ÖSIS und aus den Fragen/Antworten der BVSS Deutschland.