WAS IST STOTTERN?


Definition, Symptomatik, Ursachen, Vorurteile, Prognose

13 01 2017

Definition

Man unterscheidet Sprech- und Sprachstörungen:

Sprachstörung
ist die Störung der gedanklichen Erzeugung und des Gesamtablaufs von Sprache. Sprachaufbau und Sprachvermögen sind beeinträchtigt.

  • kindliche Sprachentwicklungsverzögerungen aller Art mit Wortschatz- und Grammatikdefiziten
  • organische Sprachstörungen bei Erwachsenen (Aphasien) z.B. nach Schlaganfall
Sprechstörung
ist die Unfähigkeit, Sprachlaute korrekt und flüssig zu artikulieren. Es ist nur die motorische Erzeugung von Lauten betroffen.
  • Störungen des Sprechablaufes (Stottern, Poltern) bei Kindern und Erwachsenen
  • Störungen der kindlichen Lautbildung (Dyslalie), z.B. Lispeln oder Stammeln
  • organische Sprechstörungen (Dysarthrien) bei Kindern und Erwachsenen bei neurologischen Erkrankungen.

Stottern kann zwar je nach Gefühlslage und seelischer Verfassung des betroffenen Menschen schwanken, dennoch ist Stottern eine körperlich bedingte Sprechbehinderung und KEINE psychische Störung. (Quelle: Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe, Deutschland)


Symptomatik

Stottern ist eine Störung des Sprechablaufs und macht sich in auffällig häufigen Unterbrechungen im Redefluss bemerkbar.

Es kommt zu Wiederholungen von Satzteilen, Worten und Silben (klonische Elemente) oder zu Blockaden und Dehnungen (tonische Elemente).

Stottern verläuft zu Beginn meistens phasenweise: mal ist es häufiger, dann seltener oder auch gar nicht vorhanden. Mit zunehmendem Alter verfestigt es sich. Es können sich Sekundärsymptome einstellen, wie Vermeidensverhalten, Satzumstellungen, körperliche Mitbewegungen, Kommunikationsängste.

Ursachen (Ätiologie)

Die Komplexität von Sprache und Sprechen bedingt, dass die Ursache des Stotterns nicht immer genau eingegrenzt werden kann. Daher haben sich folgende Erklärungsmodelle durchgesetzt:

A. Die multifaktorielle Betrachtungsweise geht davon aus, dass immer mehrere Faktoren zusammenkommen müssen, um Stottern auszulösen und zu verfestigen, das können sein:

Organische Ursachen: neurologische Störungen, Veränderung der zerebralen Dominanz, neuromotorische Koordinationsstörung, Wahrnehmungsstörung.

Erblich bedingte Ursachen: Es wird nur die Veranlagung vererbt, Stottern tritt oft familiär gehäuft auf. Die Umstände der ersten Lebensjahre und der Sprachentwicklung bestimmen dann, ob die Anlage zum Vorschein kommt oder nicht. Psychische Einflüsse können dabei eine Rolle spielen, stellen jedoch nicht die Ursache dar.

Psychische Einflüsse: Verschiedene seelische Belastungen, denen ein Kind schon sehr früh ausgesetzt ist, können sich in Störungen der Sprache und des Sprechens bemerkbar machen. Dazu gehören z.B. Partnerschaftsprobleme der Eltern, wechselnde Erziehungsstile, Krankenhausaufenthalte oder Geschwisterrivalitäten. Auch der psychische Druck, den das Kind aufgrund seines Stotterns empfindet, kann die Auffälligkeiten in der Sprache noch verstärken.

Soziokulturelle Einflüsse: Schon in frühester Kindheit ist Sprache heute immer weniger Hauptkommunikationsmittel. Fernsehen, Computerspiel und Videospiele nehmen einen Großteil der Aktivitäten ein. Lesen, Vorlesen, sich unterhalten, Sprachspiele, Geschichten erfinden und erzählen wird immer seltener. Mangelnde Übung und Anregung führen dazu, dass Kinder in ihrer Sprachentwicklung zu wenig gefördert werden. Gleichzeitig sind die gesellschaftlichen Normen und Anforderungen an die Sprache sehr hoch. Das kann dazu führen, dass Kinder sehr schnell zu "Versagern" abgestempelt werden, wenn sie etwas mehr Zeit benötigen.

B. Das Anforderungs- und Kapazitätenmodel erklärt das Stottern damit, daß die notwendigen kommunikativen Fähigkeiten für ein fließendes Sprechen nicht ausreichen.

C. Die idiographische (einzelfallorientierte) Betrachtungsweise sagt aus, dass sich jeder Stotternde nicht nur in seiner Symptomatik, sondern auch bei Ursache, Weiterentwicklung und aktueller Problemstellung von jedem anderen Stotternden unterscheidet.

In der Erforschung der Ursachen ist also noch vieles unklar. Auch warum etwa viermal mehr Buben als Mädchen stottern, ist noch nicht hinreichend geklärt.

Vorurteile

Klar ist allerdings, dass eine einseitige Betrachtungsweise zu kurz greift und Vorurteile endlich dem Wissen um neue Erkenntnisse Platz machten sollten.

Seit Menschengedenken gibt und gab es in allen Sprachen, Kulturen und Gesellschaftsschichten stotternde Menschen. Stotternden kann man ruhig in die Augen schauen, das zeugt von Interesse und Respekt. Stottern ist auch keine "schlechte Angewohnheit" und nicht unmittelbar willentlich zu beeinflussen, deshalb sind Tipps wie "Atme tief durch!" sinnlos. Stottern ist kein Ausdruck einer gestörten Personlichkeit, und ein Stotternder ist auch nicht generell ängstlich oder gehemmt. Stottern ist nicht ansteckend und auch kein Zeichen von Dummheit.

Wenn Stottern im Vorschulalter im Zuge der Sprachentwicklung auftritt, sollte die Familie eines stotternden Kindes sich beraten lassen. Auf keinen Fall darf abgewartet werden nach dem Motto: Das wird sich schon "auswachsen".

Prognose

Von den 4 - 5% der Schulkinder, die Stotterersymptome zeigen, wird nur jedes fünfte über das Jugendalter hinaus stottern.

Je jünger ein Kind ist und je früher interveniert wird, desto größer ist die Chance, dass es seine Sprechunflüssigkeiten ganz überwindet. Je älter ein Kind ist und je länger es stottert, desto geringer wird die Möglichkeit, dass die Sprechstörung wieder völlig verschwindet.

Stottern kann jedoch auch noch im Erwachsenenalter durch Therapien soweit verringert bzw. verändert werden, dass es keine Behinderung im täglichen Leben darstellt.

Buchempfehlungen

Erstinformation und Ratgeber, FAQ (häufig gestellte Fragen)

Eltern (Ratgeber, Therapie-Information)

Schule (Ratgeber für Schulkinder, deren Eltern und LehrerInnen)

Jugendliche (Erstinformation, Erfahrungsberichte, Lesebücher)

Erwachsene (Erstinformation, Erfahrungsberichte, Lesebücher)

Broschüren, Infoblätter

Broschüre "FAQ (häufig gestellte Fragen) zum Stottern" - Natke Verlag
"Die wichtigsten Informationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte"

Broschüre "Was Sie immer schon über Stottern wissen wollten" - BVSS

Neu Infoblatt der Stuttering Foundation
Tipps für die Kommunikation mit stotternden Personen und Mythen über Stottern

Infoseiten

Stottern Wiki

StotterTherapieRatgeber
"Ein unabhängiger, unparteiischer Therapieratgeber für erwachsene Stotternde, geschrieben von einem Patienten für Patienten, ohne kommerzielle Eigeninteressen."

Internetplattform 'Praxis Sprache inklusiv'
Ausgewählten Materialien für Praxis, Hochschullehre und Selbstvertretung. Betrieben von der Forschungsstelle Sonderpädagogik, Sprache und Inklusion (fossi) der PH OÖ.

Lebe dein Stottern - Gedanken übers Stottern von Michael Winkler

FAQ zum Stottern
Die wichtigsten Informationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte von Ulrich Natke

Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V.
Wer stottert ist nicht allein - Wissen und Fakten gegen Vorurteile und Mythen

Sprachheilpädagogik.de - Stottern
mit Erstinformation, Infos zu Wissenschaft und Therapie

Stottern - Ursachen, Symptome, Formen, Therapie
Seite der Logopädin Birgit Lange aus Köln